Erik Schmidt | Blank
(Petra Reichensperger)
Kunst verweist nicht allein auf Situationen und Kontexte, sondern auch auf Medien, Erinnerungen und vor allem auf ästhetische Erfahrung. Kontinuierlich rückt Erik Schmidt diese sensible Verortung immer mehr in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Praxis. Seine Kunst, ob Video oder Malerei, vollzieht stets eine Reflexion auf ihre eigenen Bedingungen und des sozialen Umfelds, der sie entspringt.
Die Gemälde von Erik Schmidt, die carlier | gebauer in „Blank“ präsentierte, sind alle in den letzten Monaten vor der Ausstellung entstanden. Farbflächen stehen neben leergelassener, weiss grundierter Leinwand. Das Auge erkennt relativ schnell Fassaden, Lagerhallen, Werbetafeln, Autos und immer wieder Maschendrahtzäune. Interessanterweise ist Zaun phonetisch verwandt mit dem englischen Wort „town“ (Stadt). Besonders in amerikanischen Städten an der Ostküste dienen sie zur Absicherungen wie auch Trennung von Bereichen. Indem der Künstler sie in den Mittelpunkt rückt, lenkt er unseren Blick auf diese grundlegende Struktur, die unser Zusammenleben regelt.
In Bezug auf die Gemälde sehen wir entweder vor allem das Raster oder wir konzentrieren uns auf das dargestellte Motiv. Womit das Spiel vor und hinter den Ebenen, dem ständigen Prozess der Verwandlungen von Motiven, Farbschichten und Blickrichtungen beginnt. Das Auswählen, das Verbinden der Bildgegenstände durch ein Raster wie den Maschendraht, überhaupt die Dialektik des Grenzziehens und Aufbrechens, ist in dieser Werkgruppe ein kompositionelles Prinzip. Hierdurch verändert Erik Schmidt auch seine Malweise. Sie wird offener. Die Farbe ist nur noch zur Betonung einzelner Formen pastos. Auch deshalb verändert er seinen Pinselduktus nun mühelos in alle Richtungen. Das einzelne Bild scheint zu atmen und sich auszudehnen. Je nach Darstellung des Maschendrahtzaunes übt diese weiteren Druck auf die Ränder aus. Besonders, wenn Schmidt ihn gleichmäßig wie in „Second Life“ darstellt, oder er ihn wie in „Easternbloc“ und in „Roa, Rooooaaaa“ nach oben geöffnet in Szene setzt.
Das wiederkehrende Raster des Maschendrahtzauns ist aber auch eine effektive Methode, den Malduktus selbst zu unterbrechen und das Motiv lediglich durch ein paar Pinselstriche und Farbtupfen anzudeuten. Durch das Schaffen einer Andeutung ermöglicht Schmidt eine Erwartungshaltung beim Betrachter herzustellen und gleichzeitig markiert er durch den Maschendrahtzaun eine Leerstelle. Markierungen dieser Art machen ein Spannungsfeld zwischen der Eindeutigkeit des Wahrgenommenen und der Offenheit des Ausgelassenen auf. „Das poetische Potential des Auslassens liegt im Schaffen von Uneindeutigkeiten, ohne dabei“, wie Mathias Prinz darlegt, „Uneindeutigkeit zu suggerieren.“
Erik Schmidt begreift den Übergang von Prozess und Fixierung, Bewegung und Stillstand, Beginnen und Aufhören als Spielraum. Beim Malen kommen nicht zuletzt deswegen Momente von Unvorhersehbarkeit, Offenheit und Dynamik zum Zuge. Gleichzeitig ist es ihm möglich, diesen Bildern eine entsprechende Rhythmik einzuschreiben, die vom Betrachter nachvollzogen werden kann.
Auf dem Weg zur Freiheit der Malerei wendet Erik Schmidt charakteristische Methoden der abstrakten Malerei an, um diese Disziplin und ihren Kontext zum einen zu kritisieren und zum anderen, um die Position der Malerei mit den eigenen Mitteln zu stärken. Seine jüngsten Gemälde sind verdichtet und gleichzeitig unterbrochen von Intervallen, Rastern, Leerstellen. Da sich in der Leerstelle auch etwas Mögliches zeigt, thematisiert er in ihnen nicht nur das Malerische, sondern ebenso das Ungreifbare. Mittels der Form, dem Farbklang und der Methode der Wiederholung entwickelt Erik Schmidt in dieser neuen Werkgruppe eine aufgebrochene Wahrnehmung der Malerei.